Nicht nur in unserem Pilotprojekt „Jugendliteratur und soziale Netzwerke“ , sondern auch in regelmäßigen Angeboten wie „Buch auf, Film ab!“ oder unserem Jugendbuchblog beziehen wir neue Medien in unsere Arbeit und Projekte mit Jugendlichen und Kindern rund um das Thema Literatur mit ein. Klar, dass wir ein Interesse daran haben, wie sich die Medienpadagogik entwickelt und inwieweit sich das Heranwachsen Jugendlicher durch den Medienwandel verändert. Daher freute ich mich auf die Tagung: „Alles unter Kontrolle? Interdisziplinäre Zugänge zum Aufwachsen in der digitalen Gesellschaft.“ #idt14
Die Tagung startete am Donnerstag, 27.11 mit einer abendlichen Podiumsdiskussion. Dabei ging es vor allem um die Herausforderungen für Pädagogik und Politik, die der Medienwandel mit sich bringt. Herausgestellt wurde dabei wie ambivalent für Jugendliche das Spannungsfeld zwischen medialer Totalität und medialer Freiheit ist. Auch die Rückständigkeit einer veralteten Gesetzgebung wurde problematisiert. In der Diskussion mit dem Publikum wurde betont, wie wichtig eine Stärkung der Erwachsenen und Familien ist, um Kindern und Jugendlichen eine umfassende Medienkompetenz mit auf den Weg zu geben. Inwieweit neue Medien mit in den Unterricht eingebunden werden sollten oder nicht, wurde dem hingegen sehr kontrovers diskutiert.
Am Freitag, 28.11. tauchte die Tagung aus der Perspektive ganz verschiedener Disziplinen tiefer in die Thematik ein.
Beispielsweise mit einer mathematischen Sicht des Chaostheoretiker Prof. Dr. Mainzer, der einen Blick auf die Veränderungen der soziotechnischen Infrastrukturen und dem exponentiellem Wachstum der Datenmenge (big data) warf. Die Innovationszyklen können nicht (mehr) gebremst werden, deshalb hilft es seines Erachtens nur die Aus-/ Weiterbildung anzupassen!
Ein Blick auf die Jugendlichen mit Dr. Ulrike Wagner (JFF) zeigte, wie hoch der Bedarf an Orientierung ist. Wichtig bleib im alltäglichen Medienhandeln der Wunsch nach sozialer Zugehörigkeit, der Austausch in der Peergroup, aber auch das Streben nach Selbstoptimierung in der „Außendarstellung“. Wichtig sei ein Bewusstsein für Widersprüche zu schaffen, souveränes Medienhandeln zu stärken und als (Medien-)Pädagogen dem Bedarf an Orientierung nachzukommen.
Einen kurzen Einblick gab Niels Brüggen in das Projekt „Jugend erforscht die Digitale Gesellschaft“. Dabei hatten Schüler eigene Vorträge rund um Themen wie digitales Lernen, Überwachung oder Online-Werbung entwickelt und vorgetragen.
Eine philosophische und nahezu apokalyptische Sichtweise auf die digitalisierte Gesellschaft gab es von Prof. Dr. Alexander Filipovic. Das Recht Dinge zu verbergen gerät aus dem Blick und sogar die Wahrnehmungsgegebenheiten (z.B. Google-Algorithmen ) werden vorsortiert: Wo soll da die Quelle von subversivem, politischem Handeln sein?
Das juristische Chaos im Bereich Urheberrecht wurde von Dr. Till Kreutzer beleuchtet. Er betreibt die Plattform http://www.irights-law.de, und entwickelt pädagogisches Material, dass Lehrer im Unterricht einsetzen können. Denn der Einzelne ist seines Erachtens (auch von der Politik) allein gelassen, und seitenlange Nutzungsbedingen sozialer Netzwerke suggerieren nur „Pseudotransparenz“.
Klaus Lutz vom Medienzentrum Parabol in Nürnberg betonte, dass Jugendliche Medien zur Bewältigung ihrer Entwicklungsaufgaben brauchen und dass Medienkompetenz – fast wie beim Sport – von Jugendlichen enorme Übungszeiten brauche.Wie wichtig interdisziplinäre Diskurse beim digitalen Wandel in der Pädagogik sind, betonte zum Abschluss Dr. Helga Theunert.
Persönliches Fazit: Unsere Erfahrungen mit Schulen zeigen, wie die Umsetzung innovativer Projekte durch eine veraltete Technik oder starre Verbote in Schulen erschwert werden. Großes Misstrauen von einigen Eltern und Lehrern verhindert oftmals einen kreativen Umgang mit Medien und damit die Chance diese sinnvoll miteinzubinden. Doch gerade durch Bildungsträger, Bibliotheken und Schulen können Jugendliche bei Projekte mit neuen Medien ein Bewusstsein für Themen wie Persönlichkeitsrechte bekommen und Medienkompetenz erlernen. Auch eine systematische Verankerung von Medienkompetenz in der Lehrerausbildung halte ich für sinnvoll, denn der digitale Wandel kann auf Dauer nicht in der schulischen Ausbildung ignoriert oder nur rudimentär gestreift werden. Unser bisheriger Weg als Biblitothek erscheint mir weiterhin richtig: Durch eine Nutzung der neuen Medien kann die Vermittlungsarbeit der Bibliothek an Vielseitigkeit gewinnen und gleichzeitig können wir bis zu einem bestimmten Grad Medienkompetenz vermitteln.
Vielen Dank an die Veranstalter für den fruchtbaren interdisziplinären Austausch!
Tanja Leuthe